Zuversicht - Die Geschichte des Bildes

Ich schreibe diesen Text in den Tagen, in denen das Corona Virus unser aller Alltag beherrscht und aus irgendeinem Grund musste ich wieder an mein Bild Zuversicht denken. Dieses hier ist die Geschichte des Bildes, mit ein einigen Gedanken, am Ende des Textes, warum gerade jetzt wieder daran denken muss.

Sehr selten sitze ich einfach nur so vor dem Fernseher. Selbst, dass ich mir gezielt einen Film im Fernsehen anschaue, ist eher eine Ausnahme. Mein großes leidenschaftliches Hobby ist kreativ tätig zu sein und da ist die Vollnarkose, in die einen der Fernseher zu versetzen mag, das krasse Gegenteil. Wenn ich im Wohnzimmer sitze und der Fernseher läuft, dann immer mit etwas zu Lesen oder einem Notizbuch. Oft liegt ein Skizzenblock auf dem Schoss und ich denke: »Was könnte ich jetzt zeichnen?«

Kurz angemerkt, dass ich in den ersten Jahren meines zeichnerischen Schaffens nicht die »teuren» Skizzenbücher für meine anfängerhaften Skizzen verschwenden wollte und so benutzte ich die Rückseiten von einseitig bedrucktem A4 Papier. Heute würde ich jedem den Rat geben: Fang sofort in einem Skizzenbuch an. Da gehört alles rein, von ersten, einfachen unfertigen Skizzen bis hin zu kompletten Zeichnungen. Kleb was rein, schreib was rein, am Ende wird das ein ganz besonderes Buch. Und dann fang das Nächste an. Ach ja, ich schreibe mittlerweile das Datum auf die Skizzen, irgendwo klein in die Ecke, an den Rand. Habe gemerkt, das kann später interessant und hilfreich sein.

Wie gesagt, ich saß, damals noch mit Schmierpapier auf den Beinen, den Bleistift in der Hand, nach Inspirationen suchend, irgendwo zwischen dem, was um mich herum geschah und in mich hineinblickend. Eine Weile saß ich so da, leicht versunken, in mich hineinhorchend, und nahm irgendwie aus Distanz die Situation auf dem Bildschirm wahr: Zwei Menschen saßen da. Ich weiß nicht mehr, ob es Mann oder Frau waren. Sie saßen da, die linke Figur sah bedrückt aus, die rechte Figur schien tröstend auf die traurig wirkende Person einzuwirken. Spontan begann ich zu zeichnen. Doch so spontan wie ich zu zeichnen begann, so schnell war die Szene wieder vom Bildschirm verschwunden. Was ich zu Papier gebracht hatte war eine eher schemenhafte Skizze der beiden Figuren, wirklich nur sehr einfach.

Etwas enttäuscht, dass ich nicht ein paar mehr Details hatte festhalten können blickte ich die Skizze an. Jedoch merkte ich, dass der wesentliche Ausdruck getroffen war. Mit einem Gefühl zwischen »Schade, zu kurz« und einer Zufriedenheit, das ich in den wenigen Sekunden in der Skizze das für mich Wesentliche festgehalten hatte, legte ich das Blatt zu meinen anderen Skizzen. Das war ungefähr im Jahr 2012.

Etwa ein Jahr später stand ich vor der Frage: »Was male ich als nächstes für ein Bild?« Normalerweise stehen die Ideen dafür Schlange und die, von der ich das Gefühl habe, die muss jetzt umgesetzt werden, drängt förmlich auf die Leinwand. Meistens wird das schon klar, während ich noch an einem anderen Bild arbeite. Doch dieses Mal war das nicht so. Für solche Fälle sind Ideensammlungen da! Beim Durchblättern meiner Skizzen fand ich die Zeichnung der beiden Figuren wieder und entschied mich für die beiden. Von Anfang an wusste ich, dass ich sie für die Umsetzung auf die Leinwand ändern würde.

Nun wird es etwas maltheoretisch und ich lasse euch ein Stück weit teilhaben am Entstehungsprozess des Bildes, meinen Gedanken dazu und etwas Bezug auf die Kunstgeschichte. Doch keine Panik, nur ganz grob.

Wie ging es mit der Skizze weiter? Die Zeichnung griff ich noch einmal auf und wandelte sie in kubistische Formen um. Warum? Mir war danach. Der Kubismus ist eine Kunstrichtung des frühen 20. Jahrhunderts und wurde von Pablo Picasso und George Braque in der Zeit um 1907 in Paris entwickelt. Bis etwa 1914 malten sie und andere Maler in diesem Stil. Kurz gesagt, was mir am Kubismus gefällt: Gegenstände, die wir kennen werden auf einer Leinwand in einer Ansicht aus verschiedenen Perspektiven dargestellt. Das kann dann sehr anders aussehen, als wir es kennen und hat mich von Anfang an fasziniert. Die künstlerische Epoche, in die der Kubismus fällt, wird auch als "Klassische Moderne" bezeichnet und erstreckt sich von ungefähr Mitte des 19. Jahrhunderts bis in das frühe 20. Jahrhundert. Die Bilder aus dieser Epoche, die ich vor einigen Jahren erstmalig gesehen habe, sind die Bilder aus der Kunstgeschichte, die mich am meisten ansprechen und beschäftigen. Einige Maler aus dieser Zeit, mit denen ich mich auseinandersetze, sind Paul Cezanne, Vincent van Gogh, Henri Matisse, Pablo Picasso, George Braque, Juan Gris, August Macke und Franz Marc. Darüber schreibe ich auch auf meiner Homepage www.arts-of-michael.de

Für meine Malerei setze ich die Stilmittel aus der klassischen Moderne ein. Immer wieder gerne kubistisch. Und das schien mir für dieses Bild, das ich von den beiden Figuren malen wollte, das Richtige zu sein. Für eine erste Umsetzung bleib ich auf einem neuen Blatt Schmierpapier. Mit der ersten kubistischen Version war ich in der Tat zufrieden und übertrug sie mit Rötelkreide sofort auf eine Leinwand. Dafür hatte ich eine im Format 60 x 80 cm ausgesucht.

Rötelzeichnung auf der Leinwand

Wie meistens lege ich als Nächstes nach meinen Vorstellungen die Farbflächen des gesamten Bildes an und sehe dadurch sofort die Wirkung der einzelnen Bereiche aufeinander. Dabei wird mir zum einen schon mal klar, ob die Farben passen und zum anderen entstehen dabei neue Impulse für die weitere Arbeit an dem Bild. Zweiteres ergibt sich oftmals aus vorherigen Schritten, in diesem Fall war es die Kombination der ersten Farbschicht und der bedrückte Ausdruck der linken Figur. Warum auch immer hatte ich für die rechte Bildhälfte überwiegend warme Farbtöne und für die linke Bildhälfte überwiegend kühlere Farben verwendet.

Erste Farbschicht
Weitere Details wie Augen, Hände und auch schon Korrekturen (die weißen Flächen)

Ganz früh war mir auch klar, dass die Figur auf der rechten Seite die traurige Figur trösten würde, ihr Mut machen. Dafür legte ich ihren Arm um die traurige Figur. Nun ging es noch darum Farben und das ein oder andere Detail zu setzen, bis alles passt, teilweise Partien korrigieren und an der Gesamtwirkung zu arbeiten. Das klingt leichter, als es manches Mal ist und es kann auch schon mal eine ganze Menge Arbeit in Teilen eines Werkes liegen, bis ich damit zufrieden bin. Wichtig finde ich, dass dir selbst gefällt, was du da auf die Leinwand gepinselt hast. Sonst kannst du es am besten gleich wieder mit etwas Neuem übermalen. Als ich mir das fertige Bild in Ruhe anschaute und auf mich wirken ließ, kam mir auch der Titel in den Sinn: Zuversicht (Confiance). Manches Mal gebe ich meinen Bildern einen Namenszusatz auf Französisch, in Erinnerung an meine Maler-Vorbilder aus Frankreich.

Ich schreibe diesen Text in den Tagen, in denen das Corona Virus unser aller Alltag beherrscht. Aus irgendeinem Grund musste ich wieder an mein Bild "Zuversicht" denken. Seit einigen Tagen sind erste Geschäfte nach mehreren Wochen wieder geöffnet, demnächst müssen wir beim Einkaufen eine Maske tragen, ­so vieles ist anders geworden. Wir haben gesehen, dass es in diesen Zeiten sehr viele Menschen gibt, die auf der rechten Seite des Bildes „Zuversicht“ zu finden sind. Zu allererst muss man unbedingt die Mitmenschen in den sogenannten systemkritischen Berufen nennen. Zum Beispiel die vielen Menschen, die in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen arbeiteten, die eine sehr schwere Zeit hatten und noch haben, bis es für sie endlich wieder etwas normaler wird. Dazu ständig der Gefahr ausgesetzt, selbst infiziert zu werden. Ich saß zuhause im Home-Office und es kam weiter die Post, der Müll wurde abgeholt und ich konnte beim Bäcker Brot und im Supermarkt Lebensmittel einkaufen (zumindest das, was die Hamsterkäufer übrigließen). Es gab Geschäfte, die uns bei Bedarf belieferten. Und es gab sehr viele kreative Köpfe, die Initiativen starteten und uns mit Kultur versorgten. Sie ermöglichten es Musikern und Schriftstellern, ihre Musik zu spielen bzw. ihre Texte zu lesen und übertrugen dieses live im Internet. Das sind alles Mutmacher, die auf die rechte Seite des Bildes „Zuversicht“ gehören und ihren Arm um die legen, die einen Hoffnungsschimmer, Lichtblick, Trost und Zuversicht gebraucht haben. Viele Mutmacher und Mutmachendes habe ich wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen.

Ich bin mir ganz sicher, die meisten von uns schätzen die Mutmacher schon immer, also auch schon, als sie ihren Job noch unter „normalen“ Umständen gemacht haben. Das haben wir ihnen sicherlich auch gezeigt, durch respektvollen Umgang, nette Worte und hier und da ein „Dankeschön“.

Ein nachhaltig menschliches Dankeschön, wäre es, wenn ab sofort wirklich alle respektvoll und freundlich umgehen würden mit Krankenhauspersonal, Müllfahrer:innen, Postbot:innen, Apotheker:innen, Supermarktpersonal, allen die uns mit Lebensmitteln versorgen, und allen anderen, die unser System für uns alle am Laufen halten. Wie wichtig das ist, ist in der Corona-Zeit sehr spürbar geworden.

Geschrieben mit zuversichtlichen Wünschen an Alle!

©️ Michael Wiegand