Kurzgeschichten

Der Text ist der Anfang der Geschichte, die ich 2010 für das Cafe Litteraire (Literarische Veranstaltung in Braunschweig) schrieb. Das Thema: "Migration und wie das Thema aus Sicht eines Deutschen aussehen kann, der betroffen ist". 


Dein Leben wäre langweilig, wenn du mich nicht kennengelernt hättest 

Letzes Jahr nach dem offiziellen Teil des Cafe Litteraire saßen wir noch in netter internationaler Runde zusammen und diskutierten über die Themem Integration, Migration und das gerade erlebte Cafe Litteraire. Jemand in dieser Runde stellte fest, das es auch mal interessant sei, etwas zu diesen Themen von einem Deutschen, der betroffen ist, zu hören. Dieser, oder besser diese vorher erwähnte "Jemand" in der Runde war übrigens meine Frau.

Da taucht zunächst die Frage auf: "Was habe ich mit den Themen Migration/Integration zu tun?". Wenn man nach der Definition aus dem Fremdwörterbuch geht, dann habe ich eindeutig Migrationshintergrund. Migration ist nach dem Fremdwörterbuch die Wanderung von Individuen oder Gruppen im geographischen oder sozialen Raum. Und genau das trifft bei mir zu. Ich stamme aus dem kleinen Dorf Lerbach im Harz und bin 1988, immerhin 80 km, nach Wolfenbüttel migriert. Die nächste Frage lautet: "Was habe ich mit dem Thema Integration zu tun?" Diese Frage stelle ich anders, bzw. eine andere Frage: "Wie hat Integration mein Leben beeinflußt?" Nun, das begann als ich circa zehn Jahre alt war und das auslösende Ereignis auf einer Familienfeier meines Onkels Alfred geschah. Mein Vater hat 13 Geschwister und es waren auf dieser Feier ungefähr 13 Tanten, 13 Onkel und viele Cousinen und Cousins anwesend. Ich muß sagen, alle meine Tanten sind sehr nett, aber Tante Carmen, die spanische Frau meines Onkels Alfred, war mir auf dieser Feier besonders aufgefallen. Sie war irgendwie anders als die Tanten, die in meinem kleinen Harzdorf aufgewachsen waren. Tante Carmen schien immer fröhlich, hatte einen schönen Akzent und sprach mehr als meine anderen Tanten (am Rande sei hier erwähnt, das ich erst viele Jahre später festgestellt habe, wieviel mehr spanische Frauen reden können!). Diese Eindrücke haben in mir die Idee geweckt, das, wenn ich einmal heirate würde, es eine spanische Frau sein sollte. Diese Idee hatte sich in den darauffolgenden Jahren irgendwie in meinen Planungen manifestiert und es stand für mich in relativ jungen Jahren fest: Nach dem Studium reise ich nach Spanien und suche mir eine spanische Frau. Damit war für mich das Thema vorerst abgeschlossen. Ich hatte ja nun meinen Plan.

Wie so oft, kommen Dinge anders. Einige Jahre später fragte mich ein Freund, ob ich denn nicht auch mal eine Freundin haben wolle. Ich fand die Idee gar nicht schlecht. Ich hatte vielleicht ein wenig sehr an meinem Plan fest gehalten. Außerdem stellte eine Freundin zu dem Zeitpunkt ja in keinstem Fall einen Widerspruch zu meinem Plan dar. Also begann ich meine Augen gegenüber dem anderen Geschlecht zu öffnen. Zu jenem Zeitpunkt befand ich mich in einer Firma in Ausbildung in der es ungefähr 100 Auszubildende gab. Es fiel mir nun ein Mädchen in meinem Alter mit langen dunklen Haaren auf. Ich weis nicht warum, aber ich war wie gebannt. Ich war aber teilweise auch verwirrt, da ich sie relativ häufig zu sehen schien. Die Erklärung kam später, es gab zwei Mädchen mit langen dunklen Haaren. Eine war Italienerin und die andere Spanierin. Wie gesagt, das löste sich erst später auf und ich lernte bei dieser Gelegenheit, das es spanische und italienische Migranten in unserer Harzgegend gab. Aus meinem Dorf kannte bis dahin nur den Türken Hassan, der in einer der Fabriken im Dorf arbeitete. Als Jugendliche sahen wir Hassan am späten Nachmittag oft vor seiner Haustür sitzen und jedes Mal sprachen wir ein paar Worte mit ihm. Irgendwann wurden es so viele Worte, das uns Hassan zum Bier einlud. Aber zurück zu dem spanischen Mädchen von dem ich bis dahin noch nicht wusste, dass sie Spanierin war. Ich begann darüber nachzudenken, wie ich sie ansprechen könnte. Da sie aber diejenige sein sollte, die meine Pläne, die iberische Halbinsel, zwecks Suche einer Gemahlin, zu bereisen, durchkreutzte, fügte sich auch alles Weitere. Nachdem wir uns beide in derselben Firma in Ausbildung befanden, traf ich sie in der Fahrschule wieder. Obwohl ich vorher zwei Mädchen mit langen dunklen Haaren verwechselt hatte, war ich mir jetzt ziemlich sicher, eine von ihnen hier wieder zu treffen. Zurückkommend auf die Frage, wie ich sie denn ansprechen könne, war mir sofort klar, das dieses die Gelegenheit war. Sie war allerdings begleitet von einem Mann mit dermaßen breiten Schultern und einem tiefdunklen Schnäuzer, das mich erst einmal mein Mut verließ und mir klar wurde, das hier sorgsam vorzugehen sei. Nachdem ich sie einige Male in der Fahrschule gesehen hatte, nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach sie an: "Ich glaube, ich kenn dich. Kann es sein, das wir in der gleichen Firma lernen?" Sie schaute mich mit ihren dunklen Augen an und meinte, sie würde mich nicht kennen, aber ja, sie mache auch eine Ausbildung in der Firma. Danach kam lediglich noch ein "Tschüß" und die Gewissheit, das ich sie beim nächsten Fahrschultermin ja wieder sehen würde. Eine weitere Gewissheit hatte ich durch ihren einen Satz, mit dem sie mir geantwortet hatte, bekommen. Den Akzent kannte ich, es war in wesentlich schwächerer Form der Akzent den meine Tante Carmen sprach - sie war ein spanisches Mädchen.

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